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IDC-Analyse bewertet Bedeutung der neuesten Digital-Ankündigung
Noch sind DEC-Workstations dem IBM-RS/6000 unterlegen
COMPUTERWOCHE Nr. 16 vom 20.04.1990
FRAMINGHAM -- Mit der Decstation 5000 konnte Digital zwar Boden
gegenüber IBMs RS/6000 gutmachen. Ein gleichziehen hängt jedoch von
weiteren Geräten und Anwendungen ab. Star des Produktdebüts war
zweifellos die neue Ultrix-Version
- zu dieser Meinung kommt jedenfalls Terry C. Shannon*. Die
Ankündigung des RISC-Systems/6000 von IBM Mitte Februar sorgte für
einige Unruhe auf dem Markt und rückte Umfang, Charakteristika und
Bedeutung der offenen Systeme in ein neues Licht. Mit der
RS/6000-Reihe ist es der IBM gelungen, einen neuen
Preis-/Leistungs-Standard zu schaffen und der Konkurrenz davonzuziehen.
Die Ankündigung von IBM dürfte die Lebenszyklen rivalisierender Pro-
dukte verkürzen. DECs erst ein Jahr alte Offene-System-Architektur
wirkt bereits überholt. Am 3. April hatDigital auf die jüngste
Bedrohung von IBM geantwortet und eine Palette neuer Hard- und
Softwareange- bote vorgestellt. Sie sind als Vorhut einer Reihe
offener Systeme der zweiten Generation gedacht und basieren auf der
RISC-Prozessor-Technologie und dem Betriebssystem Unix. Außerdem
wurden verstärkte Anstrengungen unternommen, die Basis von Anwendungen
zu ver- breitern, und zwar größtenteils durch die Anwerbung
unabhängiger Softwareanbieter. Ultrix
Version 4, die jüngste Unix-Version von Digital, ist eine "Private-
Label-Unix-Implementierung". Sie entspricht den Industriestandards und
enthält komfortable Zusatz-Features, die dieses Produkt aus der Menge
anderer Angebote herausheben sollen. Nach Ansicht von IDC stellt die Ultrix Version 4 den wichtigsten Teil der Ankündigung dar.
Einige der Erweiterungen stellen Ultrix
Fähigkeiten zur Verfügung, die auch das Betriebssystem MS von Digital
besitzt, insbesondere die Unterstützung von symmetrischer
Multiprozessor-Verarbeitung, C-2-Level-Sicherheit sowie die integrierte Ultrix/SQL-Runtime-Datenbank.
Zweifellos wird DEC auch die zusätzlichen Verbesserungen wie die
erweiterte Kapazität des physichen Speichers und Unterstützung von
Massenspeicherung nicht unerwähnt lassen und so die Behauptung
untermauern, daß Ultrix Version 4 eine Unix-Implementierung für kommerzielle Anwendungen darstellt.
An der Spitze der Hardware-Gegenoffensive im Bereich offener Systeme von Digital steht einQuartett von RISC-Ultrix-Workstations,
die eine gemeinsame CPU und einen gemeinsamen Namen haben, sich aber in
ihrer Grafikfähigkeit unterscheiden. Die 5000er-Reihe der Decstation
umfaßt vier Modelle: das 200 CX, ein System auf Einstiegsebene, ein
Acht-Ebenen-System, das mit einem 2D-Grafikbeschleu- niger ausgestattet
ist, ein Midrange-System, das mit acht oder 24 Ebenen erhältlich ist,
und schließlich ein Turbo-System mit 24 Ebenen. Alle vier Workstations
sind mit der R3000 CPU der Mips Computer Systems Inc. ausgestattet, die
bereits bei den größeren Multiuser -Decsystems der 58er-Serie Anwendung
findet. Ungeachtet der Tat-sache, daß das Decsystem 5810 19 MIPS
verarbeitet, behauptet der Hersteller, daß die Decstation 5000 24 MIPS
erreicht; Digital macht Unterschiede in der Architektur und Bewertung
für diese Abweichung verant- wortlich. Das mag zutreffend sein oder
auch nicht; jedenfalls wartet bereits eine erweiterte Decstation
5000hinter den Kulissen darauf, im kommenden Sommer vorgestellt zu
werden. Die Decstation der 5000er-Reihe unterstützt den neuen
Turbochannel I/O-Bus, einen offenen Bus mit einer Leistung von 100 MB
pro Sekunde, der an SCSI- und VME-Bus-Peripheriegeräte angeschlossen
werden kann. Mit großer Sicherheit dürfte Digital den Turbochannel als
Industriestandard- I/O-Bus übernehmen und dies als einen weiteren
Beweis für "Glasnost" im Bereich offener Systeme anfüh-ren.
Prozessorleistung könnte Hemmschuh werden Obwohl die Prozessorleistung
sich als Hemmschuh für die Decstation 5000 erweisen könnte, deutetdie
erweiterte Grafikfähigkeit der neuen Workstations auf einen
gravierenden Mangel bei den existierenden Decstations hin. IDC setzt
voraus, daß Digital seine Anstrengungen auf diesen Bereich
konzentrieren wird, um die Schwächen bei der Prozessorleistung
auszugleichen und damit im Vergleich zur Konkurrenz, vor allem zur
RS/6000, eine gute Figur zu machen. Der Mini-Marktführer sei gut
beraten, den Mainframer nicht zu unterschätzen. IDC geht auch davon
aus, daß Digital Mitte des Jahres die Hardwarelinie für den
Bereichoffener Systeme ausbauen und absichern sowie eine
Hochleistungs-Workstation und einen Server auf denMarkt bringen wird,
die mit dem R6000-Prozessor von Mips ausgestattet sind. Eines dieser
Systeme, der sogenannte Maxserver, ist ein RISC-Ultrix-Einzelprozessor-Server
-- der erste in einer Modellreihe von High-end-Systemen auf
R6000-Basis, deren Konfiguration mit einem bis vier Prozessoren eine
Leistung von 50 bis 200 MIPS erreichen wird. Aus Marketing- und
technischen Erwägungen heraus wird die Ankün- digung des
Multiprozessors R6000 erst für Ende des Jahres erwartet. Die Reihe der
Decstations der zweiten Generation und die Ultrix
Version 4 machen deutlich, daßDigital aggressiv die Strategie verfolgt,
sich als Marktführer im Bereich offener Systeme zu etablieren.
Natürlich ist dieser Versuch, Ordnung auf einem doch eher anarchischen
Schauplatz zu schaffen, keines-wegs altruistisch motiviert. DEC ist
mit Einnahmen von knapp über einer Milliarde Dollar aus Unix-Hard-ware
im Steuerjahr 1989 einer der drei großen Unix-Anbieter, und es ist nur
folgerichtig, daß das Unter-nehmen seine Interessensphäre schützen
möchte. DEC verfolgt ein strategisches Konzept, das man als "eiserne
Faust im Samthandschuh" beschreiben könnte, und verspricht davon die
Möglichkeit, den Markt in seinem Sinne zu beeinflussen. Allerdings
wurden diese Anstrengungen bis jetzt durch die geringe Anzahl von
Anwendungen eingeschränkt, die auf DECs
Offene-Systeme-Hardware-Plattformen laufen. Als man im Januar 1989 die
Bühne der offenen Systeme betrat, wurden nur etwa 50 RISC/Ultrix-Anwendungen
angeboten; ein Jahr später waren es etwa 500. Heute sind 854
Softwarepakete erhältlich. Wahrscheinlich wird sich diese Zahlnoch
beträchtlich erhöhen, wenn erst mehr Softwarehersteller Versionen ihrer
Anwendungen auf den Markt bringen werden. Es ist von größter
Wichtigkeit, daß diese Erwartungen sich in naher Zukunft erfüllen, denn
die Verfügbarkeit von Anwendungen für offene Systeme ist das fehlende
Glied in Digitals Gleichung. Zusammenfassend ist IDC der Meinung, daß
die Offene-Systeme-Hardware der zweiten Generation von DEC den
Preis-Leistungs-Vorteil von IBM schrumpfen läßt, jedoch das
Unternehmenauf dem strategischen Unix-Workstation-Markt nicht
gleichziehen kann. Zusätzliche RISC-Ultrix-Produkte
dürften dazu beitragen, die "MIPS-Kluft" der DEC-Workstations zu
verkleinern und die Linie der offenen Systeme von Digital im
High-end-Bereich zu stützen, die diesen Sommer eingeführt wird.
Langfristig hängtdas Gleichziehen mit IBM jedoch stark von der
Fähigkeit ab, die Basis der RISC-Ultrix-Anwendungen effizient zu verbreitern. |
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