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Branchen-Guru Michael Slater:
RISC-CPUs von Motorola und Sun - 860 und Alpha dümpeln
COMPUTERWOCHE Nr. 31 vom 31.07.1992
MÜNCHEN (CW) - Das Urteil kommt aus berufenem Munde, und es verheißt
nichts Gutes für zwei kapitale Konkurrenten der DV-Branche: Alpha-und
860-RISC-Bausteine gewärtigen ein Dasein auf Nebenschauplätzen, die
Sparc-CPUs der Sun-Gemeinde und Motorolas 88000-Familie hingegen
heimsen beim Kürlauf der RISC-Architekturen höchste Benotungen ein. Als
Schiedsrichter gerierte sich kürzlich Michael Slater, Industrieguru und
Herausgeber des US-Journals "Microprocessor Report" in Personalunion,
als er in einem Vortrag in London seine Einsichten zu den am Markt
verfügbaren RISC-Prozessoren zum besten gab. Zu den Architekturen, bei
denen der Zensor mit dem Daumen nach unten zeigt, gehört die Intel
860-RISC-CPU. "Gute Implementation, aber schlecht durchdachte
Architektur", mäkelt Slater, dem besonders die Probleme der
Programmierbarkeit des Prozessors ins Auge fielen - ein Argument, das
auch schon von anderen Insidern angeführt wurde. Microsoft etwa graute
so dermaßen vor der Aussicht, "nur noch Assembler-Code" stricken zu
müssen, daß man die Pläne, Windows NT auf dem 860-Prozessor ablauffähig
zu machen, aufgegeben hat. Slater argwöhnt denn auch, bei Intel habe
man bei der 860-Entwicklung wohl nicht allzu viele Gedanken an den
Compiler und Betriebssystem-Umgebungen verschwendet. Er bezweifelt
auch, daß die Andy-Grove-Company noch mit dem rechten 860-Engagement
bei der Sache ist: Immerhin setze Intel Ingenieure der 860-Abteilung
auf die X86-Prozessor-Entwicklung um. Bei DECs Alpha-Baustein hält sich
Slaters Begeisterung ebenfalls in Grenzen. In dem verzweifelten
Bemühen, VAX-Anwender einen Migrationspfad nach Unix offerieren zu
können, habe DEC eine RISC-Architektur aus dem Boden gestampft, bei der
sie einige Kompromisse machen mußte: So nehmen auf der CPU Clock-Buffer
nicht nur gleich ein Drittel der Chipfläche ein, sie sind auch für etwa
50 Prozent der extrem hohen Wärmeabgabe des Alpha-Prozessors
verantwortlich, der eine in der Branche vielkritisierte
Leistungsaufnahme von 30 Watt besitzt. Alpha-CPU kam zu spät auf den
Markt Zudem weist der DEC-RISC-Chip bei ähnlicher Packungsdichte wie
der Viking-Sparc-Prozessor von Texas Instruments im Gegensatz zu diesem
(36 KB) nur einen Cache von 16 KB auf. Andere Probleme ergäben sich für
DEC aus der Tatsache, daß immer noch kein Lizenznehmer für die
Produktion des Alpha-Chips gefunden sei. Slater führt das auf die
Zweifel der Halbleiterproduzenten zurück, daß sich Alpha am Markt
durchsetzen wird. Auch habe sich - trotz Cray, Kubota und Olivetti -
noch keiner der marktbestimmenden Systemhersteller zu Alpha bekannt
Letztendlich scheint Slater offensichtlich ein Vertreter der
Gorbatschow-Doktrin zu sein, wonach jeder, der zu spät kommt, vom Leben
gestraft wird: DECs Alpha-CPU kam seiner Ansicht nach zu spät auf den
Markt, um sich noch durchsetzen zu können. Motorolas 88000-RISC-Familie
hingegen attestiert der Prozessor-Fachmann, zu Unrecht ein
Mauerblümchen-Image zu besitzen. Besonders der noch nicht verfügbare 88110-Chip
hat es Slater angetan. Er stuft ihn als möglicherweise beste aller
momentan am Markt verfügbaren CPUs ein. Die 88 000-Prozessoren seien
die höchstintegrierten aller frühen RISC-Implementationen gewesen, die
zudem keine wesentlichen technologischen Mängel gewärtigen mußten.
Hoher Grad an Integration, eine gute Single-Precision-Rechenleistung
sowie Multiprozessor-Unterstützung zählt Slater zu den Aktiva der
88000-Produkte. Negativ wertet er die Kostenintensität, die für große
Caches bei 88100/200-Implementationen getätigt werden müßten sowie die
relativ schwachen Floating-Point-Ergebnisse im Double-Precision-Modus.
Es sei bedauerlich, daß sich dieser Prozessor "mangels Kundenbasis" wohl
nicht durchsetzen werde. In diesem Punkt widersprach allerdings ein
Brancheninsider: Vor allem in embedded Anwendungen sei Motorolas
88000-RISC-Linie stark vertreten und sehr wohl ein Begriff. Slater
führt die mangelnde Marktpräsenz der Motorola Chips in erster Linie auf
Managementfehler im Hause des US-Herstellers aus Schaumburg, IIlinois,
zurück. Es habe die nötige Vorausschau auf zukünftige
Marktgegebenheiten gefehlt, um mit dem gegebenen Engagement die
RISC-Linie auf Erfolgskurs zu bringen. Eine zu langsame
Produktentwicklung, gepaart mit internen Konflikten über das
68000-Programm habe letztendlich zu einer schwachen Stellung beider
Produktlinien geführt. Auch Hewlett Packards Precision-Architektur
kommt bei Slater gut weg: Sie sei die Basis der momentan schnellsten
Workstations am Markt und verfüge über einen sehr großen
Primärcachespeicher. Als hinderlich empfindet Slater allerdings, daß
für die Snake-Prozessoren nur ein Hersteller die Chip-Verfügbarkeit
sicherstelle. Wenig erfreulich seien zudem die hohen Kosten momentaner
Implementationen. Auch mäkelte der Fachmann am Systemdesign herum, das
hohe Taktraten für den Primärcache nur bedingt zulasse. Der Sparc-Chip
spiele in puncto Anzahl verfügbarer Software seine Stärken aus, auch
die Anzahl diverser Sparc-Lizenznehmer und Produzenten schlage positiv
zu Buche. Während Suns RISC-Wettbewerber Windows NT möglicherweise
nicht unterstützen werde, könne Mips mit eben diesem Argument glänzen.
Die Silicon-Graphics-Tochter habe darüber hinaus ebenfalls eine große
Software-Basis. ACE schadet dem Renommee von Mips Doch Suns Präsenz am
Markt werde - O-Ton Slater - wohl verhindern, daß Mips jemals die
Nummer eins der Workstation-Branche werde. Das traurige Kapitel ACE
habe auch nicht unbedingt zum guten Renommee von Mips beigetragen,
letztlich stehe auch kein größerer Desktop-Hersteller parat, der sich
zu Mips bekenne. Bleibt IBMs Power-CPU und Power-PC: Auf der Habenseite
sei zu verbuchen, daß mit Motorola, Apple und Big Blue drei
Schwergewichte hinter der zudem sehr fließkommapotenten Architektur
stünden. Jedoch sei abzuwarten, ob das Trio in Zukunft eine
Multichip-Implementation realisieren könne, die sich auch
leistungsmäßig als Speerspitze erweise. |
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