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Mangel an Software forcierte Entscheidung zum Prozessorwechsel Data General Corp. setzt auf die Zugpferde Intel und Microsoft
COMPUTERWOCHE Nr. 27 vom 07.07.1995 Seite 25-26
MUENCHEN (jm) - Die Wuerfel sind gefallen: Die Data General Corp. (DG),
Anbieter der proprietaeren "MV"-Midrange-Systeme und der Unix-basierten
"Aviion"-Rechnerfamilie, wechselt den Prozessorlieferanten. Statt
Motorolas RISC-CPUs der "88k"-Linie
setzen die Amerikaner aus Westboro, Massachusetts, in Zukunft auf
Intels CISC-Chips der Pentium- beziehungsweise "P6"-Klasse. Erste
Aviion-Modelle mit Intel-Prozessoren sollen noch in diesem Jahr auf den
Markt kommen. Mit dem Architekturwechsel will DG vor allem ein Problem
loesen: den Engpass an verfuegbarer Software. Obwohl die
Aviion-Rechner wegen ihrer technologischen Reife von Anwendern gut
beurteilt werden, haben die Rechner keine Zukunft, da die Lobby der
88xx0- Gemeinde ueber die Jahre stark geschrumpft ist. Zu den
88-Open-Mitgliedern - das heisst zum Motorola-Lager
- zaehlten Nischenanbieter wie Harris mit den "Night-Hawk"-Rechnern,
Encore mit den "91-Series"-Maschinen, Unisys und die "S8400"- Modelle
sowie Motorola
selbst mit den "Delta-Series-8000"- Systemen. Alle (vgl. Kasten) sind
mittlerweile abgesprungen. Fuer die DG-Gemeinde duerfte allerdings nur
eine Frage spannend sein: Wie (wenig) problematisch vollzieht sich die
Transition auf die Intel-Plattform? Branchenanalyst Richard Chu meint,
"der Wechsel ist sehr mutig". DG muesse nun den Uebergangsprozess
bewaeltigen, ohne daran zugrunde zu gehen. Brancheninsider verweisen
auf das unterschiedliche Byte- Adressierverfahren zwischen der Motorola-
und der Intel- Architektur, das DG-Anwendern bei der Portierung ihrer
installierten Software Probleme bereiten koennte. Intel-CPUs nutzen
das sogenannte "Little-endian"-Format: Bei diesem wird das
niedrigstwertige Byte an der niedrigsten Adresse im Speicher abgelegt,
das hoechstwertigste an der hoechsten. Die Motorola-
Architektur hingegen arbeitet mit dem "Big-endian"-Verfahren. Dieses
funktioniert genau umgekehrt. Rechnerintern ist die Umstellung kein
Problem Prozessorspezialist Arndt Bode, Leiter Rechnertechnik und
Organisation am Institut fuer Informatik der Technischen Universitaet
Muenchen, sieht allerdings keine grossen Probleme: Wenn nicht der
Prozessor von Haus aus auf beide Adressierverfahren geeicht ist wie
etwa die RISC-CPUs "960" von Intel oder der "Am29000" von AMD, dann
muesse die Konvertierung eben im Speicher erfolgen. Dazu faende ein
Umlesevorgang statt, bei dem ein Wort in einem Register in einer
bestimmten Byte-Reihenfolge gespeichert und dann in ein anderes
Register in der umgekehrten Reihenfolge abgelegt werde. Da dieses
Verfahren nicht flexibel gehalten werden muesse, sondern fest
verdrahtet werden koenne, seien die Geschwindigkeitseinbussen gering.
Intel hat darueber hinaus bereits fuer die 486- und auch die
Pentium-Prozessoren ein Datenformatverfahren entwickelt, das es diesen
CPUs ermoeglicht, sowohl Big- als auch Little-endian- Strukturen zu
bedienen. Dazu kreierte der Prozessorhersteller den sogenannten
Byte-swap-Befehl. Dieser konvertiert Little- in Big-
endian-Byte-Reihenfolgen und umgekehrt. DG muesse, so Bernhard
Wopperer vom Technical Marketing der Intel GmbH in Feldkirchen bei
Muenchen, in sein Unix-Derivat DG-UX nur einen Filter einbauen, der
diesen Byte-swap-Befehl auch beinhalte. Wopperer geht davon aus, dass
auch im P6 der Byte-swap-Befehl integriert ist. DG selbst kuendigt an,
Anwender wuerden "bei den meisten bestehenden Applikationen ausser
einem neuen Kompilieren nur wenig Aufwand" mit der Migration auf
Intel-basierte Aviion-Rechner haben. Fuer Anwender wie Bernd Duenwald,
seit 1993 Vorsitzender der Data- General-User-Group, ist der Wechsel
auf Intel eine gute Nachricht. Schon vor zwei Jahren beklagte er sich,
die Fuehrungsmannschaft in den USA sollte endlich sagen, welche
Perspektiven die DG-Gemeinde mit ihren Aviion-Rechnern habe. Bislang,
so Duenwald damals, arbeiteten 90 Prozent der DG-Anwender immer noch
mit den proprietaeren "Eclipse"- beziehungsweise "MV"-Rechnern unter
dem Betriebssystem AOS/VS. Diese Gruppe kann von den neuen Rechnern
nur profitieren, wenn alle Programme von Grund auf erneuert werden.
Abgesehen von dieser zwar eingefuehrten, aber technologisch aufs
Abstellgleis gefahrenen Rechnergeneration, wartet DG seit 1989 mit den
Aviion-Unix-Maschinen auf, deren 88k-Architektur
aber ebenfalls keine Horizonte mehr oeffnen konnte. Fuer Duenwald war
der Wechsel ueberfaellig. Bis zum heutigen Tag plazierte DG rund 30 000
Aviion-Server bei Anwendern. Die zeigten sich gemaess einer Umfrage
der CW- Schwesterpublikation "Computerworld" schon vor zwei Jahren mit
ihren Rechnern vor allem in puncto Preis-Leistungs-Verhaeltnis,
Kompatibilitaet und Rechengeschwindigkeit zufriedener als IBM-, Sun-,
DEC- und HP-Kunden mit ihren jeweiligen Maschinen. Groesstes Manko
damals wie heute: Die fehlende Auswahl an Softwareloesungen. DG
versuchte zwar im Lauf der Jahre, seine Motorola-Hardware
durch Partnerschaften attraktiver zu gestalten: Unter anderem im
Schulterschluss mit HP, Tivoli, Cincom, Integris, CA, Cognos oder auch
Forte Software sollten Luecken etwa bei Client-Server- Middleware, bei
Management-Softwarewerkzeugen oder etwa bei 4GL- Entwicklungs-Tools
schliessen. Im Oktober 1994 verkuendete die SAP AG, ab 1995 werde R/3
auch in gemischten Umgebungen mit einem Datenbank-Server unter Unix und
einem Applikations-Server unter Windows NT laufen. 1994 machte DG ein
Minus von 87 Millionen Dollar Als erste Rechnersysteme fuer diesen
Betriebssystem-Mix waren die Aviion-Server von DG vorgesehen. Erste
Auftraege konnte DG, so Marketing-Direktor Bruno Becker, auch schon
einholen. Trotz solcher imagetraechtiger Vereinbarungen gaben Anwender
Motorolas Chipgeneration aber keine Zukunft mehr. Die DG Corp. musste
im Geschaeftsjahr 1994 einen Verlust von 87,7 Millionen Dollar
verkraften. In diesen roten Zahlen waren allerdings
Restrukturierungskosten von 35 Millionen Dollar enthalten. Schon 1993
musste DG ein Minus von 60,5 Millionen Dollar hinnehmen. DGs Problem
ist, dass es die erodierenden Umsaetze im Geschaeft mit den
proprietaeren Eclipse-Rechnern nicht schnell genug durch die Unix-
Aviion-Server ausgleichen konnte. Letztere tragen mittlerweile laut
Becker zu "ueber 90 Prozent des DG-Geschaefts". DG wird noch 1995 mit
Aviion-Servern unter Unix aufwarten, die mit vier und bis zu acht
Pentium-Prozessoren rechnen. Diese seien eine Ergaenzung zur
bestehenden Aviion-Basis, die, so Becker, weiter gepflegt und
entwickelt werden soll: "Auf lange Sicht allerdings setzt Data General
klar auf Intel." Die Motorola-basierte
Server- Linie wird DG noch durch ein 32-Prozessor-Modell ausbauen sowie
durch Rechnerverbuende, in denen bis zu acht Server in einem Cluster zu
einem System verbunden werden koennen. |
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